Was bewirkt Wasserzugabe zu Totalen Mischrationen ?

Selektives Fressen I Foto Jana Denißen375
Foto: Jana Denißen

Selektives Fressverhalten von Milchkühen stellt vor allem bei hohen Trockenmassegehalten (TM) in Totalen Mischrationen (TMR) eine Herausforderung in der Rationsgestaltung und bei der Futtervorlage dar. Die Kühe selektieren Kraftfutterpartikel aus der Mischung heraus, da diese aufgrund des geringen Trockenmassegehaltes und der groben Struktur der Grobfutterkomponenten nicht an der Oberfläche der Grobfutterkomponenten anhaften. In Folge dessen kommt es im Tagesverlauf zu einer Veränderung der Rationszusammensetzung am Futtertisch, das heißt die gefressene Ration entspricht nicht der errechneten Ration. Ranghohe Tiere nehmen unmittelbar nach der Futtervorlage erhöhte Mengen an Kraftfutterpartikeln auf und rangniedere Kühe, die erst einige Stunden nach der Futtervorlage zum Futtertisch gelangen erhalten eine Ration, die in ihrem Energiegehalt bereits deutlich verringert sein kann. Schwankende pH-Werte im Pansen oder subaktute Pansenazidosen können die Folge sein. In der Fütterungspraxis werden vermehrt Rationen eingesetzt, denen Wasser zugemischt wird, um den TM-Gehalt der Ration zu verringern und eine selektive Futteraufnahme zu verhindern. Die Ergebnisse scheinen positiv zu sein, wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema liegen hingegen bisher noch nicht vor. Aus diesem Grund wurden im Versuchs- und Bildungszentrum (VBZL) Haus Riswick, der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, im Winter 2017/2018 und in den Sommermonaten 2018 Fütterungsversuche zum Einsatz einer sogenannten Nass-TMR durchgeführt.

Wie wurde vorgegangen?

In zwei Versuchen (Sommer und Winter) mit je zwölfwöchiger Versuchsdauer und jeweils 2 x 24 Kühen wurde die Kontrollration mit der Versuchsration (Kontrollration + Wasserzugabe) verglichen. Die Versuche waren im cross-over Design angelegt, das heißt, dass in innerhalb der Versuche nach der halben Versuchsdauer ein Gruppenwechsel vorgenommen wurde. Den Versuchsgruppen wurde zur totalen Mischration (TMR) 12,5 (Versuch I) bzw. 14 l (Versuch II) Wasser beigemischt, so dass die TM-Gehalte der Rationen in Versuch I (Winter) von 46 auf 37% und in Versuch II (Sommer) von 42 auf 34% gesenkt wurden (Tab. 1). Die Wasserzugabe erfolgte über 2 Schläuche in den Futtermischwagen und dauerte ca. 6 Minuten bei laufenden Mischschnecken. Im Anschluss wurde den Kühen das Futter zur ad libitum Aufnahme vorgelegt. Neben den tierindividuellen täglichen Futteraufnahmen und Milchmengen, der wöchentlichen Erfassung der Milchinhaltsstoffe und dem Wiederkauverhalten der Kühe wurden in den Versuchen ebenfalls das Fressverhalten über die Ermittlung der Partikelgrößenverteilung sowie das Nacherwärmungsverhalten über Temperaturmessungen des Futters im Trog erfasst.

Welche Futteraufnahme und Milchleistung wurde erzielt?

Die Zugabe von Wasser in die TMR erhöhte die TM-Aufnahme in beiden Versuchen signifikant und führte somit zu höheren Energie- und Nährstoffaufnahmen. Die höhere TM-Aufnahme könnte aus einer gleichmäßigeren Ration resultieren und für eine stabilere mikrobielle Situation im Pansen sprechen. Die höheren Energie- und Nährstoffaufnahmen spiegelten sich in höheren täglichen Milchleistungen wieder. Die Kühe, die mit der angefeuchteten TMR gefüttert wurden, erzielten in beiden Versuchen höhere tägliche Milchleistungen. Die Differenzen betrugen in Versuch I 0,6 kg und in Versuch II 0,5 kg/Tag. Im zweiten Versuch beeinflusste der TM-Gehalt der Ration ebenfalls die Fett- und Eiweißmengen, so dass die Kühe, die die Ration mit abgesenktem TM-Gehalt erhielten, eine signifikant höhere energiekorrigierte Milchleistung erzielten (+ 0,7 kg ECM/Tag). Ähnliche Tendenzen werden ebenfalls in Ergebnissen aus Praxisuntersuchungen erkennbar.

In den Versuchen wurde auch die Wasseraufnahme über die Tränken ermittelt. Hierbei zeigte sich, dass die Tiere der Kontrollgruppen eine signifikant höhere Wasseraufnahme realisierten. Die Differenz entsprach dabei in etwa der Menge an Wasser, die den Tieren der Versuchsgruppen über den Mischwagen zugegeben wurde.

Wie wurde Fressverhalten/Futterselektion beeinflusst?

Zur Beschreibung des Fressverhaltens wurden in jedem Versuch an 12 Tagen jeweils 5 Futterproben im Tagesverlauf entnommen und diese mit der Schüttelbox auf die Partikelgrößenverteilung geprüft. Die Probennahme erfolgte direkt nach der Futtervorlage, nach 5, 10 und 15 h Vorlagedauer sowie am Folgetag aus den Futterresten. Den Ergebnissen (Abb. 1) ist zu entnehmen, dass es in der Kontrollvariante zu einer deutlichen Futterselektion kam. Die Anteile an feinen Futterbestandteilen gingen im Tagesverlauf permanent zurück, wohingegen der Anteil an groben Futterpartikeln anstieg. Über den Tag betrachtet ergibt sich damit eine ungleiche Nährstoffaufnahme. Hingegen gab es bei den angefeuchteten Rationen (Abb. 2) keine Veränderungen in der Partikelgrößenverteilung. Ein selektives Fressen fand demnach nicht statt, so dass den Tieren über den gesamten Tag eine einheitliche Ration zur Verfügung stand.

Erwärmen angefeuchtete Rationen schneller?

Von Anschnittsflächen ist bekannt, dass diese vor allem unter feuchtwarmen Bedingungen zu Nacherwärmung neigen. Vor diesem Hintergrund wurde das Nacherwärmungsverhalten beider Rationen im zweiten Versuch mit Hilfe von Datenloggern, die über einen Zeitraum von drei Tagen in das Futter gelegt wurden, und mit Hilfe eines Stabthermometers über den Tag bestimmt. Die Ergebnisse beider Messmethoden sind homogen. In den ersten 24 h Stunden nach dem Mischen der Rationen kommt es trotz sehr hoher Außentemperaturen (Tagesmitteltemperatur bis 27 °C), zu keiner stärkeren Nacherwärmung der Nass-TMR (Abb. 3). Im weiteren Verlauf (24 bis 48 h nach Futteraustrag) ist die angefeuchtete Ration jedoch sensibler bezüglich Nacherwärmung. In dieser Phase ist im Vergleich zur Kontrollration ca. 10 h früher eine Temperaturerhöhung in der befeuchteten TMR zu beobachten. Nach 48-stündiger Vorlagedauer ist dagegen kein nennenswerter Temperaturunterschied mehr feststellbar. Bei der Zugabe von Wasser in die TMR ist somit die tägliche Vorlage der Futterration von noch größerer Bedeutung. Unter Umständen empfiehlt sich sogar eine zweimal tägliche Vorlage.

Was kann festgehalten werden?

Die ermittelten Ergebnisse zeigen deutlich, dass totale Mischrationen mit einem TM-Gehalt größer 42 % selektiv gefressen wurden und es somit im Tagesverlauf zu einer Veränderung der Rationszusammensetzung kam. Die Wasserzugabe von 12 bis 14 l/Kuh und Tag senkte die TM-Gehalte auf 34 bis 37 % und verhinderte dadurch die selektive Futteraufnahme der Tiere. In Folge der Wasserzugabe wurde die Futteraufnahme und die Milchleistung zum Teil signifikant erhöht. Das Nacherwärmungsrisiko ist beim Einsatz einer feuchten Ration erhöht, bei der Zugabe von Wasser in die TMR ist somit die Vorlage einer täglich frischen Ration von noch größerer Bedeutung.

Tabelle 1: Rationskomponenten und TM-Gehalte der gefütterten Rationen

Tabelle 1

Tabelle 2: TM- und Wasseraufnahme sowie Milchleistungen nach Wasserzugabe zu einer TMR Unterschiedliche Buchstaben geben signifikante Unterschiede innerhalb eines Versuches an

Tabelle 2

Abbildung 1

Abbildung 1: Partikelgrößenverteilung der Kontrollration im Tagesverlauf. Unterschiedliche Buchstaben geben signifikante Unterschiede innerhalb eines Siebbodens an.

Abbildung 2

Abbildung 2:Partikelgrößenverteilung der Variante "Nass TMR" im Tagesverlauf. Unterschiedliche Buchstaben geben signifikante Unterschiede innerhalb eines Siebbodens an.

Abbildung 3

Abbildung 3: Nacherwärmungsverhalten der Kontroll- und Nass-TMR im Zeitverlauf nach Futtervorlage

Schüttelbox

Abbildung 4 Mit Hilfe der Schüttelbox, lassen sich sowohl die Mischgenauigkeit des Mischwagens als auch das Fressverhalten beschreiben (Foto: Denißen)

Bildserie: Selektives Fressen, durch Wühlen im Futter und sogenannten „Lochfraß“ im Trog/auf dem Futtertisch erkennbar (Fotos: Denißen)

Selektives Fressen I Foto Jana Denißen800Selektives Fressen II Foto Jana Denißen800Selektives Fressen III Foto Jana Denißen800Selektives Fressen IV Foto Jana Denißen800